It’s all about domains… | Chris Mondini (ICANN)
Strategische Ziele, Internetpolitik, die nächste new gTLD-Runde, die Zukunft des WHOIS: das sind einige Stichworte aus unserem Gespräch mit Chris Mondini (ICANN) zu dem Thema, das wir am meisten lieben: Domains!
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Simone Catania
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Wenn in der Domain-Branche jemand eine Führungsrolle inne hat, dann ist es ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), die Organisation, die sich um die Wartung und die Prozessabläufe des DNS kümmert. Die Geschichte der ICANN reicht bis zur Entwicklung des Internets zurück. Engagierte und fähige Fachleute bei ICANN kümmern sich seither darum, die betriebliche Stabilität des Internets zu wahren.
Als Managing Director und VP of Stakeholder Engagement in Europa, beaufsichtigt Chris Mondini die Aktivitäten und das regionale Engagement der ICANN. Seine gesamte Karriere hindurch setzt er sich dafür ein, Kommunikationslücken zwischen dem öffentlichen, privaten und gemeinnützigen Sektor zu überbrücken und hat dabei stabile Beziehungen aufgebaut.
Wir hatten das Vergnügen mit Chris zu sprechen und mehr über seine Rolle als interkultureller Vermittler zwischen Politik, Stakeholdern und der Internet-Community bei ICANN zu erfahren. Das sollten Sie nicht verpassen.
Wir versuchen den idealen Weg zu finden, um autorisierten, akkreditierten Personen wie Cybersecurity-Forschern oder Beamten der öffentlichen Sicherheit den Zugang zu gewähren, den sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, während wir gleichzeitig darauf achten, die Datenschutz Policys zu befolgen, um die Privatsphäre aller europäischen Bürger zu schützen.
1. Welche Pläne verfolgt ICANN für die nahe Zukunft?
Die Vision der ICANN ist es, ein einziges, offenes und weltweit kompatibles Internet zu sichern. Um diese Ziel zu erreichen und zu bewahren, arbeiten wir derzeit im Rahmen eines Strategieplans an fünf wichtigen Leitideen, die in den nächsten fünf Jahren (2021-2025) realisiert werden sollen.
Die strategischen Ziele der ICANN
- Die Stärkung des DNS und des DNS Root Server Systems
Wir sind in erster Linie eine technische Organisation. Um das genannte Ziel zu erreichen, pflegen wir viele technische Partnerschaften. Zum Beispiel arbeiten wir mit Registrys, Registraren, ISPs und Organisationen zusammen, die sich um die Sicherheit und Stabilität des DNS kümmern. Sie alle können sich an verschiedenen ICANN Projekten beteiligen, um das Nutzerverhalten im Internet und den DNS-Traffic zu messen, sowie Veränderungen überwachen und entsprechende Aktionen anstoßen.- Die Verbesserung der Effektivität unseres partizipativen Governance- und Policy-Modells
Dazu versuchen wir, Freiwillige und Personal zu rekrutieren, um gemeinsam die ICANN-Policy umzusetzen. Wie Sie sich vorstellen können, ist das in der Pandemie etwas schwierig geworden, aber wir passen uns an und treffen uns virtuell.- Die Weiterentwicklung der Adressen, dem eindeutigen Identifikationssystem, um mit den globalen Internetveränderungen Schritt zu halten
Wir erweitern die Diversifizierung des Internets, indem wir versuchen, die globale Gemeinschaft aus verschiedenen Teilen der Welt einzubeziehen. Anfangs war es nur möglich, mit ASCII Website-Adressen mit lateinischen Zeichen einzutippen. Um eine vielschichtigere Öffentlichkeit zu erreichen, bewerben und fördern wir die weltweite Akzeptanz von Internationalized Domain Names (IDN). Darüber hinaus arbeitet unsere Gemeinschaft daran, die Verfügbarkeit neuer gTLDs zu erweitern – für noch mehr Vielfalt im Internet.- Die Auseinandersetzung mit geopolitischen Themen, die die ICANN-Mission betreffen
Wir möchten ein einziges, weltweit kompatibles Internet in einer Zeit bewahren, in der sich viele Regierungen und Regulierungsbehörden mit öffentlichen politischen Anliegen befassen. Dies kann manchmal indirekt oder unbeabsichtigt Auswirkung auf die Internet-Infrastruktur oder das DNS haben. ICANN hilft den Gesetzgebern zu verstehen, welche Auswirkungen ihre Gesetze auf die globale Kompatibilität des Internets haben können.- Nachhaltigkeit, auch in finanzieller Hinsicht
Dies bezieht sich auf unser Fördermodell, das auf der Registrierung von Domains basiert. In der Pandemie hat sich dieses Modell als widerstandsfähig erwiesen.
2. Wie lassen sich diese Strategiepläne auf Europa übertragen?
Diese strategischen Ziele lassen sich auf Europa ganz klar anwenden. Wie bereits erwähnt, haben wir viele Partnerschaften, in denen wir uns engagieren, insbesondere für den technischen Betrieb und bei Sicherheitsaspekten. So haben wir zum Beispiel im Mai 2021 für die nordischen Länder ein Seminar zur Rolle der ICANN durchgeführt und in Deutschland ein Seminar über DNSSEC veranstaltet.
Erst kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mit unserem Chief Technology Officer eineinhalb Stunden mit einer Gruppe von Mitarbeitern des EU-Parlaments zu verbringen und das DNS durchzusprechen. Es ist diese Art der Interaktion mit Menschen, die im öffentlichen Sektor eine Funktion innehaben, die meinen Job so erfreulich für mich macht. Man hilft Entscheidungen zu treffen, die das Leben der Menschen verbessern.
3. Sie haben die Organisation für Nordamerika und Europa betreut. Wie unterscheiden sich diese beiden Regionen in der ICANN-Agenda?
Die strategischen Ziele der ICANN in den Regionen divergieren nicht. Sowohl Nordamerika als auch Europa haben einen gut entwickelten Domain-Sektor mit einer großen Anzahl an Registrys, Registraren und Freiwilligen. Nur die Art und Weise, wie wir die Ziele erreichen, mag ein wenig differieren.
ICANN ist in Nordamerika entstanden. Dort haben wir sowohl qualifizierte wie auch sehr erfahrene Mitarbeitende. Die Regierungen unterstützen unser Multistakeholder-Modell voll und ganz. Von Anfang an waren wir sehr eng mit der US-Regierung verbunden, so dass wir von einem hohen Maß an Vertrauen profitieren.
In Nordamerika gab es nicht viel Aktivismus in Bezug auf Vorschriften oder Gesetze. Obwohl wir immer in gleicher Weise verfahren – d. h. wir unterstützen Gesetzgeber und Regierungsmitarbeiter mit technischen Informationen – wurden in den USA und Kanada keine neuen Gesetze vorgeschlagen.
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In Europa gibt es nicht nur einzelne Nationen mit unterschiedlichen Gesetzgebungen und Vorschriften zum Internet, auch die Europäische Union bringt alle möglichen Vorschläge zur digitalen Gesetzgebung ein. In dieser vielschichtigen Region haben wir letztendlich mehr Vorschläge auf dem Tisch, als wir bearbeiten können. Das ist einer der größten Unterschiede.
Darüber hinaus gibt es auch eine sehr aktive country code Top-Level-Domain-Community, die in jedem einzelnen Land große Bedeutung hat. Europa ist einfach komplexer, interessanter und vielschichtiger. Es gibt mehr Gespräche zu führen und mehr Probleme zu lösen, wenn es um Gesetze und Vorschriften geht – und das in mehreren Sprachen und unter verschiedenen kulturellen Aspekten. Mir persönlich macht das sehr viel Spaß!
4. Die Pandemie hat jede Branche getroffen und das Internet war entscheidend, um die Auswirkungen auf Unternehmen und die menschliche Interaktion auszugleichen. Wie stellt sich ICANN dieser neuen Situation?
Wir alle waren sehr um die Sicherheit unserer Angehörigen und Kollegen besorgt. Wir sprechen hier von 3.000 Menschen auf der ganzen Welt, die bei ICANN aktiv sind. Unsere erste Reaktion als Organisation war, uns um unsere Mitarbeiter zu kümmern. Sobald wir erkannt hatten, dass wir auf lange Sicht bereit und in der Lage waren, die Situation zu überblicken und gleichzeitig die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, haben wir wie gewohnt unserer Arbeit weitergeführt.
Glücklicherweise werden die meisten unserer täglichen Aufgaben ohnehin aus der Ferne erledigt. Wir sind ja erfahren darin, global zu arbeiten. Eine der größten Herausforderungen, der wir uns stellen müssen, ist das Onboarding – die Schulung von Neueinsteigern und Gewinnung neuer Mitarbeiter.
In der Vergangenheit veranstaltete ICANN öffentliche, kostenlose Meetings rotierend in verschiedenen Teilen der Welt, um neue Mitarbeitende zu begrüßen. In der Umgebung einer Videokonferenz ist das natürlich viel schwieriger. Es ist einfacher, wenn einem Newcomer ein erfahrener Stakeholder zur Seite steht, wenn er Fragen stellen und sich beteiligen kann. Das ICANN71 Policy Forum im Juni wird das vierte öffentliche Meeting sein, das wir virtuell durchführen.
Wie Sie erwähnt haben, war das Internet während der Pandemie für alle äußerst wichtig. Auch wir als Non-Profit-Organisation hatten einige Bedenken hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation, die die Pandemie mit sich brachte. Wir wurden auf Grundlage von Domain-Registrierungen gegründet, die überraschenderweise zunahmen! Selbst kleine und lokale Unternehmen hatten plötzlich das Bedürfnis, online zu gehen, da ihre stationären Geschäfte geschlossen wurden.
Es gab auch große Bedenken zu potenziellen Betrugsversuchen über das DNS. Bei jeder Naturkatastrophe oder jedem Großereignis gibt es immer Leute, die versuchen, durch böswillige Aktionen zu gewinnen, z. B. durch die Registrierung irreführender Domains. Manchmal handelt es sich um einen finanziellen Betrug oder sie versuchen, Malware einzuschleusen. Auch darauf hat sich ICANN konzentriert. Wir konnten zwar eine kleine Steigerung feststellen, aber nicht mehr als bei anderen globalen Ereignissen oder Krisen üblich.
Vom ersten Tag an wurde diese Bedenken Ernst genommen, und alle Personen, die mit Internetsicherheit zu tun haben, schufen ein Netzwerk und tauschten Erkenntnisse und Methoden aus. Wir arbeiteten mit Europol und einer Reihe von Organisationen für Cybersicherheit zusammen. Letztendlich hat die Pandemie die persönlichen Netzwerke und den Informationsaustausch unter den Menschen, die im Internet arbeiten, gestärkt und es widerstandsfähiger gemacht.
5. Lassen Sie uns über die nächste new gTLD-Runde sprechen: Wie ist der Stand der Dinge?
ICANN hat den Wunsch geäußert, die nächste Runde auf den Weg zu bringen. Die letzte Erweiterung der new gTLDs fand 2012 statt und wir sind von 22 auf rund 1.300 TLDs gekommen. Mit Blick auf alles, was wir bisher gelernt haben, durchleuchtet die Community die Policy, um zu sehen, was beibehalten und was geändert oder verbessert werden sollte.
Heute kann ich mit Freude sagen, dass nach vielen Monaten intensiver Arbeit ein Report zur öffentlichen Diskussion zur Verfügung steht. Wir laden alle dazu ein, bis 1. Juni 2021 einen Kommentar abzugeben. Die Generic Name Supporting Organization (GNSO) wird alle Kommentare einbringen und einen finalen Report erstellen. Ein genaues Datum kann ich nicht angeben, aber der Großteil der Arbeit ist bereits geschehen. Wir sind näher an der nächsten Runde als je zuvor – verfolgen Sie also gerne die weitere Entwicklung der Policy!
6. Durch die DSGVO sind nun wichtige Registranten-Daten im WHOIS nicht mehr einsehbar. Inwieweit hat ICANN dies bisher diskutiert?
Als die DSGVO 2018 in Kraft trat, hatte ICANN Entwicklungsprozesse in Gang gesetzt mit dem Ziel, die ICANN Policy mit der DSGVO in Einklang zu bringen. Aktuell werden WHOIS-Daten zwar immer noch gesammelt, aber nicht mehr alle davon geteilt. Die Community hat Vorschläge für ein standardisiertes und automatisiertes System für den Zugang und die Offenlegung von WHOIS-Daten gemacht. Dies soll Registrare und Registrys von der Last befreien, andauernd auf individuelle Anfragen reagieren oder eigenständige Entscheidungen in Übereinstimmung mit der GDPR treffen zu müssen.
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Der WHOIS wurde erfunden, damit die Techniker bei einem Betriebsproblem miteinander in Kontakt treten können. Daraus wurde viel mehr und viele Interessensgruppen verlassen sich nun auf ihn. Wir versuchen den idealen Weg zu finden, um autorisierten, akkreditierten Personen wie Cybersecurity-Forschern oder Beamten der öffentlichen Sicherheit den Zugang zu gewähren, den sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, während wir gleichzeitig darauf achten, die Datenschutz Policys zu befolgen, um die Privatsphäre aller europäischen Bürger zu schützen.
Die Community hat bereits einen Vorschlag gemacht, aber es wird noch an Details gefeilt – wie z. B. natürliche Personen statt Firmennamen zu verwenden oder welche E-Mail-Adresse für Domain-Registrierungen angegeben werden soll. Solche feinen Abstimmungen werden derzeit noch gemacht. Auf diesem Stand befindet sich die ICANN Community momentan.
Was mich betrifft, so haben wir mit den Gesetzgebern der Europäischen Union zusammengearbeitet. Es ist uns gelungen, ihnen die Notwendigkeit vor Augen zu führen, das Domain Name System und sogar den WHOIS in ihren Dokumenten zu berücksichtigen.
Ich glaube, die Kommission hat die Thematik inzwischen erkannt, und wir helfen jetzt den Interessenvertretern, das Bewusstsein für die technischen Auswirkungen der jüngsten Vorschläge auf Parlaments- und Ratsebene zu schärfen. Wir müssen deutlich machen, welchen unterstützende Effekt die Gesetze auf die Internet-Infrastruktur – vor alle auf ihre Kompatibilität – haben können.